CoBotCraftLab
Labor für Digitales Handwerk
Die digitale Transformation und die Folgen für Forschung und Lehre

Ayla Crede, Isabell Engelhard, Kim Pruski im Gespräch mit Prof. Erhard An-He Kinzelbach, Prof. Sven Pfeiffer und Prof. Dr.-Ing. Daniel Schilberg

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Die fachbereichsübergreifende Kooperation zwischen Architekt*innen und Mechatroniker*innen ist ein Novum. Bei Ihrem gemeinsamen Forschungsprojekt „CoBotCraftLab“ gehen Sie neue Wege der interdisziplinären Zusammenarbeit. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Sven Pfeiffer
Tatsächlich ist die Form dieser Kooperation gar nicht mehr so selten, es gibt eine wachsende Zusammenarbeit zwischen der Architektur und der Robotik. Denn in der Architektur beschäftigen wir uns auch immer damit, wie Architektur umgesetzt wird. In Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Robotik interessiert uns, wie individuell wir entwerfen und fertigen können. Und wir erforschen neue Workflows zwischen Menschen und Maschinen in architektonischen Produktionsprozessen.

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Wie erleben Sie die Zusammenarbeit von Mechatroniker*innen und Architekt*innen? Welche neuen Perspektiven eröffnen sich für Sie?

Daniel Schilberg
Das ist für beide Seiten eine große Bereicherung. Vor drei Jahren hat Sven Pfeiffer mit mir Kontakt aufgenommen. Kurz darauf kam Erhard An-He Kinzelbach dazu. Wir haben ziemlich schnell angefangen, gemeinsame Anträge zu schreiben. Mit unserer Idee eines Labors für Mensch-Roboter-Kollaboration und digitales Handwerk waren wir erfolgreich. Wir haben von der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Finanzierungszusage über 900.000 Euro erhalten. Es ist die Vision einer Fertigungszelle für das Bauhandwerk, in der Mensch und Maschine auf eine neue Art zusammenwirken.

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Wie erklären Sie sich den Erfolg, dass die DFG Ihnen gerade jetzt für dieses Forschungsprojekt eine so große Relevanz bescheinigt?

Erhard An-He Kinzelbach
Das automatisierte Bauen mit Hilfe von Robotern ist ein Feld, in dem noch viele Fragen offen sind. Gerade in der interdisziplinären Zusammenarbeit kann hier noch einiges entdeckt werden. Eine Besonderheit unseres Forschungsprojekts ist, dass es nicht um Industrieroboter, sondern um kleine, kollaborative Roboter, sogenannte CoBots, geht. Und dass wir die Mensch-Maschine-Beziehung im Handwerk untersuchen. Bisher gibt es nur wenige Ansätze, um eine zeit- und raumgleiche Kollaboration zwischen den Handwerkern und Robotern zu erforschen.

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Die Automatisierung im Handwerk ist in Vorfertigungsprozessen schon weit fortgeschritten. Was ist denn das spezifisch Neue, das Sie mit diesem Projekt entwickeln werden?

Sven Pfeiffer
Eine solche Anlage gibt es an Architekturhochschulen bisher nicht. Unsere Idee ist, dass man nicht nur mit einzelnen kollaborativen Robotern zusammenarbeitet, sondern gleich mit mehreren, die in einem Portal zusammen funktionieren. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für komplexe Arbeitsabläufe. Sechs Roboter werden in diesem Portal zusammenwirken. So kann man kann sich Choreografien vorstellen, wie Roboter und Handwerker*innen miteinander ein Bauteil herstellen. Wir wollen damit nicht nur Möbel bauen, sondern können im Architekturmaßstab zum Beispiel ganze Wandbauteile fertigen.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie in diesem Projekt?

Daniel Schilberg
Die Herausforderung bei der kollaborativen Robotik ist, dass wir ein System aufbauen, das mindestens 43 Freiheitsgerade in der Bewegung hat und ein kollaboratives System ist, mit dem die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen der Maschine und dem Menschen weiterentwickelt wird. Wie auf der Baustelle spielen auch in unserem „CoBotCraftLab“ Sicherheitsaspekte eine wichtige Rolle. Der Roboter an sich ist sicher. Der Greifer kann dem Menschen nichts tun. Wenn der Roboter den Menschen detektiert oder berührt, merkt er das. Mit dem Erkennen der Gefahr hört die Bewegung auf. Wenn er aber eine fünf Meter lange Holzlatte in die Hand nimmt und anfängt, sich damit zu drehen, dann ändert sich die Situation. Das heißt, man hat ein ungefährliches System, das aber durch leichte Veränderungen gefahrbringend sein kann. Das ist gerade, wenn man an größere Holzstrukturen denkt, eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

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Sie haben sich in diesem Forschungsprojekt fachübergreifend zusammengeschlossen. Aber noch bewegen Sie sich in der Welt der Wissenschaftler*innen und Akademiker*innen. Wann und wie kommt denn das Handwerk ins Spiel?

Erhard An-He Kinzelbach
Ich stelle mir vor, dass wir relativ schnell das Handwerk involvieren. Im ersten Schritt sind es die Workflows des Handwerks, die wir frühzeitig verstehen müssen, um analoge Arbeitsprozesse nachzubilden. Interessanter wird es dann, wenn man genuin digitale Prozesse gestalten kann.

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Digitalisierung und BIM sind in der Planung und Lehre an der Hochschule Bochum schon lange gelebter Alltag. Der sogenannte digitale Zwilling mag nützlich sein für die Abstimmung der beteiligten Architekt*innen und Ingenieur*innen. Wenn es dann aber in die Werkplanung der Handwerker*innen geht, wird vieles nochmal neu gezeichnet. Und das gleiche passiert dann in der Fertigungsplanung der Industrie. Wie erleben Sie diese Schnittstellenproblematik in der digitalen Prozesskette?

Sven Pfeiffer
Diese Schnittstellenproblematik existiert tatsächlich. Im BIM Prozess versucht man, solche Schnittstellen zu reduzieren, indem man in einer gemeinsamen Projektumgebung arbeitet. Das ist die „reine Lehre“. In der Praxis sieht es oftmals anders aus. Teilweise sind Schnittstellen, an denen Informationsflüsse stoppen – das klingt jetzt vielleicht ein bisschen widersprüchlich – aber auch produktiv. Manchmal kann ein weiterer Gesprächspartner, der Daten uminterpretiert, auch etwas Produktives zu diesem Prozess beitragen. Das scheint mir ein besonderes Phänomen in der Architektur zu sein. Ziel unseres Projekts ist es, die digitale Prozesskette vom Gebäude zum Bauteil bis in die Fertigung zu entwickeln. Das ist im Zusammenhang mit BIM eine ganz spannende, ergänzende Fragestellung: Wie lassen sich aus dem Bauteil Fertigungsprozesse und Maschinenpfade ableiten, anhand derer entschieden wird, wie sich das Werkzeug bewegt? Das kann wiederum neue Möglichkeiten für den Architekturentwurf und für die Gestaltung ergeben.

Erhard An-He Kinzelbach
Es handelt sich dabei sicher auch um ein Phänomen des Übergangs in Zeiten digitaler Transformation. Idealerweise wird künftig der bearbeitende Betrieb auf das gleiche BIM-Modell zugreifen. Wir befassen uns hier mit einer interessanten Übersetzungsproblematik.

Sven Pfeiffer
Wir müssen auch daran arbeiten, eine gemeinsame Sprache zu finden, Begriffe zu finden, mit denen wir besser beschreiben können, was wir machen. Wie können wir mit Robotern entwerfen und warum ist gute Gestaltung eigentlich wichtig? Ich finde es auch interessant, verschiedene Denkweisen in dem Prozess der Kollaboration von Mensch und Maschine zu reflektieren.

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Was können wir hinsichtlich des Schnittstellenmanagements aus anderen Branchen als der Baubranche lernen?

Daniel Schilberg
Ziel ist es, die Schnittstellenproblematik aufzulösen. Das soll nicht mehr das Problem der Anwender*innen sein. Wir brauchen adaptive Schnittstellen und müssen herausfinden, was uns die eine Entität anbietet und was die nächste Entität bereitstellt. Ein Problem dabei ist, dass wir dann in der Regel auf Standards zurückgreifen. Das macht das Leben leichter, schränkt aber die Spielräume für weitere Entwicklungen ein. Es stellt sich also die Frage, wie ich Schnittstellen möglichst so gestalten kann, dass sie den größtmöglichen Funktionsumfang von allen beteiligten Geräten darstellen. Hinsichtlich der Kompatibilität und der Interoperabilität von verschiedenen Entitäten können wir uns aus anderen Branchen, die stärker digitalisiert und automatisiert sind als die Baubranche, einiges abschauen.

Erhard An-He Kinzelbach
Unsere Baupraxis ist stark reguliert durch Standards wie Normen und die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Das wirkt sich neben allen Vorteilen auch als Hindernis für Innovationen aus. Die Baupraxis verhindert so Innovation durch Forschung. Insofern ist es für uns hochinteressant – wenn man schon die Innovation nicht direkt in die Baupraxis einbringen kann – wie sich über die Forschung eventuell die Baupraxis modifizieren lässt. Auch darum geht es in unserem gemeinsamen Projekt.

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Architekt*innen gelten zugleich als visionär und als pragmatisch. Architektonisches Entwerfen ist angewandte Forschung und führt zu einem neuen, maßgeschneiderten Haus. Wie beeinflusst denn die fortschreitende Digitalisierung den Entwurfsprozess?

Erhard An-He Kinzelbach
Es gab eine lange Phase der Digitalisierung, in der versucht wurde, analoge Konzepte und analoge Prozesse zu imitieren, um dadurch effizienter und schneller zu werden. Mittlerweile sind wir in einer Phase, in der wir eine neue Komplexität meistern, die ohne digitale Werkzeuge gar nicht denkbar wäre.

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Nicht nur im Bereich der Digitalisierung, auch auf dem Gebiet der Materialentwicklung wird derzeit viel geforscht. Welche Perspektiven eröffnen sich hier für eine zügige Realisierbarkeit?

Sven Pfeiffer
Das spannende an nachwachsenden Werkstoffen ist, dass man diese in gewisser Weise „einstellen“ kann. Im Gegensatz zu Materialien, die einen nicht lebenden Ursprung haben und so von uns genutzt werden, wie sie aus dem Steinbruch kommen, ist es beim Myzel möglich, das Zusammenwirken aus dem eigentlichen Pilz und den Stoffen, die der Pilz verarbeitet, zu beeinflussen. Diese Zukunftsvision ist mit viel Arbeit und Expertenwissen aus anderen Fachbereichen verbunden. Diese genaue Justierbarkeit ist ein spannendes Projekt, braucht aber Zeit.

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Welche Relevanz haben derartige Forschungsprozesse konkret für die Architekturstudierenden?

Sven Pfeiffer
Sie haben ein großes Potenzial, auch weil Rohstoffe auf diese Weise von Architekturstudierenden selbst herstellbar sind. Darin steckt eine Art Ermächtigung, unsere eigenen Rohstoffe herzustellen. Die Studierenden müssen viel über Werkstoffe wissen, vielleicht mehr als wir früher im eigenen Architekturstudium darüber gelernt haben. Auch der Lebenszyklus von Materialien ist ein wichtiges Thema.

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Brauchen wir mehr Dialog zwischen Architekturstudierenden und analogem Handwerk?

Erhard An-He Kinzelbach
Die Begegnung zwischen Studierenden und Handwerkern fordern und fördern wir an der Hochschule Bochum bereits. Es gibt Pflichtpraktika auf der Baustelle. Zudem besuchen wir zum Beispiel im Fach Baukonstruktion im ersten Semester bereits Betriebe wie Ziegeleien und Holzbauwerke. Denn es ist wichtig, Kenntnis von der Materialität und der Handwerklichkeit des Materials zu 
erlangen.

Sven Pfeiffer
Eine gute Methode ist auch, den klassischen Entwurfsprozess umzudrehen, und am Anfang die Frage zu stellen, was bietet mir das Material durch seine Eigenschaften. Die Verfügbarkeit und Verarbeitbarkeit von Materialien an den Anfang eines Entwurfsprozesses zu stellen, führt zu ganz anderen Ergebnissen und Erkenntnissen.

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Welche Bedeutung hat Forschung grundsätzlich für die Ausbildung von angehenden Architekt*innen?

Erhard An-He Kinzelbach
Forschungsbezogene Lehre oder forschendes Lernen zu praktizieren, hat gerade in der Architektur eine besondere Relevanz. Im Grunde kann jeder ergebnisoffene Prozess im Kontext des Entwerfens als forschend bezeichnet werden. Indem wir Forschungsprozesse zum wesentlichen Bestandteil studentischen Lernens machen, gelingt es, ein nachhaltigeres Lernen zu ermöglichen, ein Lernen, das auch stärker auf die Diversität der Lernenden eingehen kann. Das hat großes Potenzial.

Wie werden die Studierenden insbesondere vom interdisziplinären Charakter dieser Forschungsprojekte profitieren?

Daniel Schilberg
Wir entlassen Absolvent*innen in eine Welt, die sich schnell ändert. Dafür brauchen sie das entsprechende Rüstzeug, um Probleme lösen zu können, die sie jetzt noch gar nicht kennen. Da spielen forschendes Lernen und interdisziplinäre Forschung eine wichtige Rolle. Sie sollen mit dieser Herangehensweise erkennen, was das Problem ist und welche Lösungsstrategien jetzt angebracht wären, mit Blick auf die Folgenabschätzung. Dafür hilft das forschende Lernen und nicht nur das Reproduzieren von Erlerntem.

Erhard An-He Kinzelbach
Über forschendes Lernen geben wir den Studierenden andere Kompetenzen mit auf den Weg. Man muss aber verstehen, dass mit dieser Methode von den Studierenden auch mehr gefordert wird, mehr Selbständigkeit beim Lernen und Bearbeiten von Projekten und die Bereitschaft, mehr Aufwand zu betreiben. Es erfordert von beiden Seiten – von Lehrenden und Lernenden – besonderes Engagement.

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Wie prägt diese Idee vom forschenden Lernen Ihr Lehrkonzept?

Erhard An-He Kinzelbach
In der Architektur geht es viel um die Form, aber die Form ist nicht der Ausgangspunkt, sondern das Resultat eines langen Prozesses. Die Basis ist ein enormer Erfahrungs- und Wissensschatz in der Architektur. Das ist der Rohstoff unserer Arbeit. Mein Ansatz ist, über die Synthese überlieferter Typologien und der neuen Ideen zu einer neuen Form zu kommen. Dies ist ein eher evolutionärer, weniger revolutionärer Prozess. Ich finde es dabei interessant, ergebnisoffen zu arbeiten.

Sven Pfeiffer
Mir ist in der Lehre wichtig, die Studierenden zur Selbstständigkeit im Umgang mit digitalen Werkzeugen anzuleiten. So werden sie zu „Werkzeugmachern“, um maßgeschneiderte Tools auf ein komplexes architektonisches Problem anzuwenden.

Daniel Schilberg
Ich unterscheide in der Mechatronik, wie weit Studierende sind. Am Anfang des Bachelorstudiums gilt das Lernen durch Leiten. Um forschend zu lernen, braucht man eine Grundausbildung, um selbstständig zu arbeiten und die erforderliche Bereitschaft mitzubringen. Das funktioniert in der Mechatronik eher ab den letzten Semestern des Bachelors.

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Welche Ratschläge würden Sie angehenden Architekt*innen geben, um sich auf die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation vorzubereiten?

Erhard An-He Kinzelbach
Seid offen für neue digitale Werkzeuge und Künstliche Intelligenz. Behaltet dabei aber immer auch einen kritischen, reflexiven Blickwinkel.

Sven Pfeiffer
Und sprecht mehr mit anderen Disziplinen. Die erzählen Euch zum Beispiel etwas über Themen wie Folgenabschätzung. In diesen Gesprächen entsteht viel Wissen, das wir in der Architektur selbst bisher nicht hatten.

 

Erhard An-He Kinzelbach ist Professor für Entwerfen und Baukonstruktion am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Inhaber von KNOWSPACE in Berlin.

 

Sven Pfeiffer ist Professor für Digitales Entwerfen, Planen und Bauen am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Inhaber von ssp Studio Sven Pfeiffer in Berlin.

 

Dr.-Ing. Daniel Schilberg ist Professor für Robotik und Mechatronik und Dekan am Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau der Hochschule Bochum.

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    2023, Alina Pehlivanoglu