Grundlagen des Entwerfens Prof. Katharina Feldhusen
Entwurfprozess 2022, Jan Huck, Raphael Orkas
Das Experiment in Lehre und Praxis

Prof. Jan R. Krause im Gespräch mit Prof. Astrid Bornheim und Prof. Tom Verschueren

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Tom Verschueren, als Internationaler Gastdozent im Fachbereich Architektur an der Hochschule Bochum verfolgen Sie bemerkenswert experimentelle Ansätze. Auf der Website Ihres eigenen Büros dmvA schreiben Sie: „Der kreative Prozess folgt keinem Manifest, sondern drückt sich durch Experimentieren in der Architektur aus: eine Forschung zu Form, Material und Nachhaltigkeit.“ Können Sie das näher erläutern?

Tom Verschueren
Seit David Driesen und ich vor 30 Jahren begonnen haben zusammenzuarbeiten, haben wir uns versprochen, dass wir dies nicht auf übliche Weise tun werden, dass wir anders sein wollen, dass eines unserer Hauptthemen das Experimentieren sein wird und dass wir den Mut haben, dies niederzuschreiben. Gutes Design beginnt mit der Analyse. Gerade für experimentelles Entwerfen ist die Analyse eine elementare Grundlage. Das Schlüsselwort für uns ist Kommunikation, offene Kommunikation. Wenn man versucht zu experimentieren, wenn man wagt, etwas anders zu machen, muss man erklären können, warum man dies tut. Dies ist der einzige Weg, etwas zu erreichen.

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Wie reagieren Bauherr*innen, wenn sie feststellen, dass sie Teil eines Experiments sind?

Tom Verschueren
Ich unterscheide zwischen privaten Bauherr*innen, öffentlichen Auftraggeber*innen und professionellen Entwickler*innen. Die meisten unserer privaten Bauherr*innen kommen zu dmvA, weil sie wissen, dass wir etwas Besonderes machen. Der persönliche Ansatz ist uns sehr wichtig. Wenn wir ihnen das Gefühl geben, dass sie wichtig sind und dass es sich nicht nur um ein weiteres Projekt von dmvA handelt, sondern um ein gemeinsames Anliegen, können wir Dinge erreichen, die wir uns zu Beginn kaum hätten vorstellen können. Je besser die Kommunikation, je besser die Beziehung zwischen Auftraggeber*innen und Architekt*innen, desto bemerkenswerter wird das Ergebnis sein.

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Eine weitere Aussage auf Ihrer Website lautet: „Diese Haltung überwindet alle Konformitätsbeschränkungen und ist gleichzeitig ein Statement, dass zeitlose Architektur nicht existiert.“ Klingt das für Bauherr*innen nicht eher beunruhigend?

Tom Verschueren
Wenn wir außergewöhnliche Entwürfe und unkonventionelle Gebäude präsentieren, werden wir oft gefragt, wie wir es geschafft haben, so etwas zu entwerfen und zu bauen. Es ist alles eine Frage der Kommunikation, des Gefühls, der Leidenschaft. Ich denke, wir sind beide leidenschaftlich, David und ich. Wir zeigen, dass wir leidenschaftlich sind und dass die Bauherr*innen uns wichtig sind. Das Wichtigste ist, dass sie glücklich sind, in einem solchen Haus zu leben oder zu arbeiten.

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Wenn ich mir Ihr Werk anschaue, scheinen Ihre Auftraggeber*innen wirklich gut zu Ihnen zu passen. Das Statement auf Ihrer Website scheint also auch als Filter zu wirken. Wenn Kommunikation der Schlüssel ist und Experimente mit einer starken Analyse beginnen, 
in welcher Weise beziehen Sie Ihre Bauherr*innen und Nutzer*innen dann ein? Und wann sagen Sie: Vielen Dank bis hier, und ab jetzt lassen Sie uns bitte unsere Arbeit machen?

Tom Verschueren
Heute hat unser Büro 20 Mitarbeiter*innen. Vor fünf oder zehn Jahren waren wir etwas kleiner und es war einfacher, alles persönlich zu managen. Wenn wir etwas Experimentelles machen, wollen die Bauherr*innen direkt mit mir oder David sprechen. Wir müssen sehr klare Vorstellungen entwickeln, um unsere Ideen so konsequent umzusetzen, und es ist wichtig, eine sehr persönliche Beziehung zu unseren Bauherr*innen aufzubauen. Das bedeutet, sich voll zu engagieren und auch nach 20 Uhr Meetings zu haben. Wir machen das immer noch, vielleicht auf eine andere Weise als in den Anfangsjahren, aber besonders in der Vorentwurfsphase ist es wichtig, dass David und ich anwesend sind. Wir versuchen oft, Kunden zu überzeugen, indem wir realisierte Projekte besichtigen, die Ähnlichkeit mit dem haben, was uns vorschwebt. Das ist ein zusätzlicher Aufwand, den man bringen muss, wenn man etwas Besonderes erreichen will.

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Wechseln wir von Belgien nach Berlin und fragen Astrid Bornheim, Lehrbeauftragte im Masterstudiengang Architektur Media Management für Exhibition Design und Professorin für Materialtechnologie an der PBSA. In einem Buch haben Sie eine ähnliche Aussage gemacht und sind noch einen Schritt weiter gegangen. Sie sagten: „Die Raumerfindung weckt meine Neugier. Ich empfehle radikale Experimente“. Wie kommunizieren Sie das an Mitarbeiter*innen, Auftraggeber*innen und Studierende?

Astrid Bornheim
Das Wort „radikal“ basiert auf dem lateinischen Wort „radix“ für Wurzel. Es bedeutet: „an die Wurzeln gehend, von Grund auf“. Im Deutschen wird es oft nur im Kontext von „extrem“ gesehen, aber ich stimme Tom zu, dass jedes spannende Projekt mit einer radikalen Analyse beginnt. Ich verstehe Architektur als 
einen komplexen und verantwortungsvollen Prozess. Der Begriff „radikale Experimente“ meint, tief unter die Oberfläche zu gehen. Dies ist nicht nur für den Dialog mit unseren Bauherr*innen wichtig, sondern natürlich auch für den Dialog innerhalb meines Teams und mit den Studierenden.

Tom Verschueren
Manchmal findet man während der Analyse etwas Unerwartetes. Das kann der Anstoß für einen radikalen Entwurf sein, mitunter muss man es erzwingen, um es zu finden. Wir verbringen viel Zeit mit der Analyse. Es kostet viel Geld, eine gute Analyse durchzuführen. Aber es ist so wichtig.

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An der Universität bilden Sie die nächste Generation aus. Kommen die Studierenden nicht im ersten Semester und suchen nach Antworten und Orientierung? Sie aber fordern dazu heraus, zu experimentieren und Fragen zu stellen. Wie ermutigen Sie die Studierenden, einen Schritt weiter zu gehen?

Astrid Bornheim
Die überraschende Beobachtung für viele Studierende ist, wie sehr ihre Erfahrungen und ihre Ausbildung in den vergangenen 13 Schuljahren ihre Vorurteile geprägt haben. Wenn wir im ersten Semester beginnen, ihre Köpfe wieder zu öffnen, verschiedene Perspektiven zu erkunden, neugierig zu sein und darüber nachzudenken, was sie in der Schule, in ihren Familien oder in ihren Nachbarschaften gelernt haben und wie sehr dies ihre Perspektive auf Raum, Architektur und Gemeinschaften beeinflusst, ist dies für alle Studierenden überraschend. Ihnen beizubringen, dass der Bildungsprozess nicht abgeschlossen ist, sondern gerade erst begonnen hat – und nicht abgeschlossen sein wird, bis wir unseren letzten Atemzug tun – ist für sie eine interessante Erfahrung und ein Experiment.

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In den ersten Jahren müssen Sie bei den Studierenden Wissen aufbauen. Sie müssen viel Input geben. Wann kommt dieser Wendepunkt, an dem die Studierenden Ihre Methode verstehen und beginnen, sie in ihren eigenen, unverwechselbaren Entwurfsprozess zu 
integrieren?

Astrid Bornheim
Normalerweise kommt dieser Wendepunkt, wenn sie beginnen, ihren Kolleg*innen zu erklären, was sie gelernt und wie sie experimentiert haben. Deshalb liebe ich die Studioatmosphäre der Bluebox, wo dieses Peer-Group-Lernen beginnt. Ich bin begeistert, wenn sie Freunde aus der Schule oder Familienmitglieder einladen, um ihre Modelle, Mockups oder Eins-zu-eins-Experimente zu zeigen. Dann weiß ich, dass ich bei ihnen einen kreativen Prozess angestoßen habe.

Tom Verschueren
Deshalb ist es so wichtig, das, was sie lernen, zu präsentieren. Sie müssen stolz auf ihre Arbeit sein und sie mit anderen teilen. Sie sollten auch stolz auf das sein, was Sie während des Entwurfsprozesses getan haben. Sehr oft ist der Prozess am Ende der Präsentation vergessen. Aber vielleicht ist er sogar wichtiger als das Endprodukt. Als ich Architektur studierte, war mir die Macht, die Architekt*innen oder Designer*innen haben können, nicht bewusst. Ich möchte den Studierenden beibringen, sich dieser Macht und des Einflusses, den sie auf die Umwelt und die Welt haben können, bewusst zu sein. Den Studierenden dies bewusst zu machen, ist vielleicht der wichtigste Aspekt meiner Lehre. Architekt*innen haben eine unglaubliche Verantwortung – sozial, ökologisch und ökonomisch. Architekt*innen haben die Macht, Dinge zu verändern. Wir können etwas verändern, und das Medium für Veränderung ist meiner Meinung nach experimentelles Design.

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Das ist sicherlich auch der Unterschied zwischen Architektur als Dienstleistung und Architektur aus Leidenschaft. Wie können wir diese Leidenschaft, die wir in uns spüren, weitergeben?

Tom Verschueren
Ich frage mich, wie wir die Studierenden berühren können. Sehr oft beziehe ich mich auf die Kunst. Indem ich Kunst zeige, kann ich sehen, was bei ihnen Anklang findet. Die Macht der Kunst wird unterschätzt. Kunst befasst sich oft mit Kritik, Gesellschaft und Bewusstsein. Zu den wichtigsten Dingen, wenn wir übers Experimentieren sprechen, zählen Leidenschaft, Hingabe und Gemeinschaft.

Astrid Bornheim
Es geht auch um Verantwortung. Es ist wichtig, den Studierenden klarzumachen, dass ihre Arbeit öffentlich und ein Beitrag für die Gemeinschaft ist. Was sie tun, wird eine größere öffentliche Wirkung haben. Eines Tages werden ihre Entwurfskonzepte realisiert. Sie werden Auswirkungen für 50 oder 100 Jahre haben. Dies erfordert eine bestimmte Haltung. Was sie tun, ist ein öffentliches Statement. Dieses Verantwortungsbewusstsein sollte an der Universität gefördert werden.

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Wenn wir über das Experimentieren sprechen, reden wir nicht nur über Form oder Design. Wir meinen auch soziale Relevanz. Wie stellen Sie in Ihrer Lehre die Verbindung zwischen Form und sozialer Verantwortung her?

Astrid Bornheim
Am Anfang sollte man die ästhetische Wahrnehmung und die künstlerische Kompetenz schulen und das kreative Potenzial in jedem Studierenden erkennen. Im Laufe der Studienzeit werden die Aufgaben komplexer und mit wachsender Komplexität wächst auch ihre Fähigkeit, mit der Gesellschaft zu kommunizieren. Das ist wirklich interessant in der Lehre: Einerseits erfordert das Architekturstudium einen starken Charakter, was bedeutet, sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden. Andererseits ist es wichtig, dass Studierende lernen, mit der Gesellschaft zu kommunizieren. Die Fähigkeit, diesen Dialog zu führen, sollte während des Architekturstudiums gefördert werden.

Tom Verschueren
Natürlich müssen Architekturstudierende zuerst lernen, 
es richtig zu machen. Sie müssen zuerst die grundlegenden Fähigkeiten erlernen, bevor sie mit dem Experimentieren beginnen. Man muss zuerst lernen, auf konventionelle Weise zu entwerfen und zu bauen. Aber was genau ist eine konventionelle Art des Entwerfens oder Bauens? Andererseits denke ich, dass wir die Studierenden ermutigen müssen, mit dem Experimentieren zu beginnen; wir müssen ihre Kreativität fördern, indem wir experimentelle Architektur fördern. Zu oft wird das soziale Experiment übersehen.

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Soziale Aspekte scheinen ein charakteristisches Merkmal Ihrer Architektur und der zeitgenössischen Architekturszene in Belgien zu sein. Vor einigen Jahren wurde auch in Deutschland die belgische Avantgarde entdeckt, die mit kleinen Projekten und starken Konzepten besondere Qualitäten erzeugt. Was passiert in Belgien gerade und was können wir in Deutschland daraus lernen?

Tom Verschueren
Es begann in den 1990er-Jahren. Wir sahen große Projektentwicklungen in den Niederlanden mit vielen ikonischen öffentlichen Gebäuden. Im Gegensatz dazu haben wir in Belgien kleine Parzellen, schöne historische Städte, aber es fehlt an Freiflächen. Überall, wo man hinschaut, gibt es Gebäude. Diese belgische Bewegung war eine Reaktion auf die niederländische Architekturszene – wie können wir etwas Besonderes schaffen, wenn es keine großen Entwicklungen gibt und kein Geld für große Projekte vorhanden ist? Uns wurde klar, dass wir dies auf eine andere Weise tun mussten. Wenn ich die Architektur in Flandern analysiere, fällt mir ein Schlüsselwort auf: das Detail. Die besten Architekturprojekte zeichnen sich durch viele gut gestaltete Details in Kombination mit kleinmaßstäblichen Projekten aus. Wenn man etwas Neues macht oder in ein historisches Gebäude oder das städtische Gefüge eingreift, wenn man etwas Kleines macht, das gut in seine Umgebung passt, auch wenn es anders ist, entsteht eine Art Synergie, die wirklich funktioniert.

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Welche Rolle spielt diese Detailqualität in Ihrer experimentellen Lehre?

Tom Verschueren
Es ist eine Herausforderung, das Gleichgewicht herzustellen: Normalerweise muss man im Architekturstudium in kurzer Zeit ein städtebauliches Konzept entwickeln und es anschließend durcharbeiten bis ins Detail. Die Studierenden müssen jedoch lernen, dass dies Hand in Hand geht: Während wir die Stadt oder ein Gebäude entwerfen, denken wir bereits in Details. Ich fordere die Studierenden immer auf, ein Detail zu entwerfen, weil es für mich ein wichtiger Teil des Prozesses ist.

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Astrid Bornheim, im Masterstudium haben Sie die Reihenfolge im Entwurfsprozess umgekehrt. Was steckt hinter der Idee, mit dem Detail und dem Material zu beginnen und von diesem Maßstab ausgehend zu arbeiten?

Astrid Bornheim
Ich beginne mit dem Materialexperiment und entwickle daraus den Formfindungsprozess, dann komme ich zum Programm und finde schließlich einen Ort, an dem diese Idee passen könnte. Ich denke, es ist wichtig, die Studierenden näher an Materialexperimente heranzuführen. Über Material nachzudenken, ist eine wichtige Herausforderung in unserem Transformationsprozess. Es geht um die Vermeidung erdölbasierter Materialien und die Fokussierung auf Nachhaltigkeit. Ich finde, es ist zu abstrakt für Studierende, wenn sie nur lernen, durch Zeichnungen zu kommunizieren. Es bringt auch viel mehr an Motivation, Projekte und Prototypen im Maßstab 1:1 zu realisieren. Mir ist wichtig, Material im Entwurfsprozess zu reflektieren. Woher kommt das Material? Welche Auswirkungen hat es auf unsere gesamte Lebenszyklusperspektive? Und welche Art von Atmosphäre schafft es? Bei der Analyse von Materialien kann man Experimente zur Formfindung einbeziehen und spezielle Werkzeuge, überraschende Werkzeuge, einführen. Indem man Werkzeuge und Materialien überdenkt, kann man zu überraschenden architektonischen Raumlösungen kommen. In meinem Kurs Exhibition Design geht es darum, ein Projekt zu realisieren, einen Ausstellungsraum, den man betreten, in dem man echte Materialien und Details anfassen kann. Deshalb ist es wichtig, alles über die materiellen Aspekte im Entwurfsprozess zu wissen.

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Wie schaffen Sie es, in der kurzen Zeit eines Semesters von einem Materialexperiment zu einem realisierten Objekt oder einem Prototyp im Maßstab 1:1 zu gelangen?

Astrid Bornheim
Wir arbeiten mit Partnern und Institutionen zusammen, die an einem realisierten Raum oder einer Ausstellung interessiert sind. Es gibt einen Termin und eine Eröffnung. Es ist eine große Motivation für das gesamte Studierendenteam, ihre Arbeit der Öffentlichkeit zu präsentieren. Normalerweise haben wir drei Phasen: zuerst einen persönlichen kreativen Start, dann einen Teambildungsprozess und schließlich einen Wettbewerb innerhalb der Studierendengruppe, um gemeinsam zu entscheiden, welches Projekt am besten realisiert werden soll. Und dann bauen wir es mit dem gesamten Team. So simulieren wir eine Bürodynamik an der Universität.

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Was möchten Sie im Architekturstudium vermitteln?

Tom Verschueren
Mir ist wichtig, dass jeder Studierende eine Vision, ein Konzept und eine Idee hat. Ich bin für alles aufgeschlossen, und ich hoffe, die Studierenden spüren das. Wenn die Idee gut ist, auch wenn es nicht meiner eigenen Vorstellung entspricht, werde ich die Studierenden immer unterstützen und versuchen, ihnen zu helfen, sie auf die extremste Weise zu entwickeln. Ich nenne das das Superlativ der Architektur.

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Was ist Ihre beste Praxiserfahrung beim Experimentieren mit Studierenden?

Tom Verschueren
Es geht um die Anforderungen des Raumprogramms. Ich gebe eine Empfehlung, aber am Ende lasse ich den Studierenden die Freiheit, weil ich überzeugt bin, dass wir als Architekt*innen das Briefing immer hinterfragen müssen. Ist es richtig, auf diesem Gelände auf diese Weise zu bauen, mit so vielen Quadratmetern und diesen Funktionen? Ich war wirklich überrascht, wie sie anfingen, mit einem Grundstück im historischen Stadtzentrum zu experimentieren. Ich hätte nicht erwartet, dass sie so schnell von der ursprünglichen Aufgabenstellung abweichen und sich so stark auf ökologische Fragen und Umweltaspekte konzentrieren würden. Die Quadratmetervorgaben, die sie bauen sollten, waren für sie weniger wichtig, als die ökologischen Auswirkungen auf die Umgebung. Ich sehe dies als Erfolgsgeschichte. Die Studierenden begannen darüber nachzudenken, wie sie die Welt besser machen könnten, wie sie etwas Flexibles entwerfen könnten und wie diese Struktur zukünftige Bedürfnisse unterstützen und ermöglichen könnte. Es ist nicht nur ein Gebäude entstanden, sondern eine leistungsfähige Struktur – ausgerichtet auf die Frage, wie wir diese sinnvoll über hundert Jahre nutzen könnten?

Astrid Bornheim
Ich glaube an dieses Konzept der Freiheit. Ich habe mit meinen Studierenden angefangen, mit Staub zu experimentieren. Es ist ein Material, das man überall findet: in privaten Räumen, in Studios, in öffentlichen Räumen. Es ist erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung anhand des Potenzials von Staub als kreative Ressource schulen lässt. Wie verändert Staub den Raum? Was ist Abfall, was ist wertvolle Ressource? Diese Art der Betrachtung ist ein überraschender Ausgangspunkt. Ich bin oft überrascht von den kreativen Ergebnissen auf Basis dessen, was drei Monate zuvor analysiert wurde.

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Welche Relevanz hat das Experiment in der Architekturpraxis?

Tom Verschueren
Experimente in der Architektur sind wichtig und inspirierend. Man macht etwas, das völlig außerhalb der eigenen Komfortzone liegt. Als wir anfingen, entwarfen wir experimentelle Räume kostenlos, nur um jemandem zu helfen. Es ist interessant zu sehen, wohin uns diese Entwurfsmethode geführt hat. Es folgte ein Auftrag für mobile Studentenwohnungen für die Universität Kortrijk, mit einem unkonventionell denkenden Direktor. Das ist meine Botschaft an die Studierenden: Macht das, wenn Ihr jung seid, wenn Ihr studiert. Arbeitet in den ersten Jahren Eurer beruflichen Laufbahn auch einmal kostenlos, tut etwas, ohne bezahlt zu werden, und vielleicht führt es Euch auf die andere Seite der Welt.

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Welchen Wert hat das Experimentieren für Sie ganz persönlich?

Astrid Bornheim
Experimentieren ist ein Moment der Freude und der Freiheit. Dieses Erlebnis von Freude und Freiheit kann nicht bezahlt werden, aber es ist von unschätzbarem Wert, dies in Projekten und während der gesamten Karriere als Architekt*in zu verfolgen. Als ich das Bibliotheksmuseum für die Staatsbibliothek in Berlin entwarf, begannen wir mit einem Konzeptmodell. Ich wollte eine 100 Meter lange Wand mit einer photochromatischen interaktiven Farbe haben. Zum Zeitpunkt des Architekturwettbewerbs war diese Technologie jedoch nur in kleinem Maßstab in der Medizintechnik verfügbar. Der Planungs- und Bauprozess dauerte 13 Jahre. In der Zwischenzeit wurde diese Technologie von vielen Forscher*innen weiterentwickelt, bis sie schließlich in dieser großen räumlichen Dimensionen installiert werden konnte. Während des komplexen Planungsprozesses war dieses Farb- und Materialexperiment ein Moment der Freude und der Freiheit und eine starke Motivation, über einen so langen Zeitraum hinweg weiterzumachen. Experimentieren ist auch eine Technik der intrinsischen Motivation, die Studierende nicht verpassen sollten.

Tom Verschueren
Das stimmt. Experimentieren bedeutet, aus den typischen architektonischen Konventionen auszubrechen. Experimentieren ermutigt uns als Entwerfer*innen, über den Tellerrand hinaus zu denken. Meiner Meinung nach ist Experimentieren notwendig für Veränderungen und Verbesserungen. Experimentieren in der Architektur gibt einem die Energie, um immer weiterzumachen.

 

Tom Verschueren ist internationaler Gastdozent am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Gründungspartner von dmvA architecten in Mechelen, Belgien.

 

Astrid Bornheim ist Dozentin für Ausstellungsdesign und kuratorische Praxis im Masterstudiengang AMM Architektur Media Management an der Hochschule Bochum, Professorin für Architektur und Materialtechnologie an der Peter Behrens School of Architecture Düsseldorf und Inhaberin des Architekturbüros Astrid Bornheim Architektur in Berlin.

  • Grundlagen des Entwerfens
    Prof. Katharina Feldhusen

    Entwurfprozess
    2022, Jan Huck, Raphael Orkas

  • Master AMM, Exhibition Design
    Lehrbeauftragte Prof. Astrid Bornheim

    Material Hack. Micromaterials, Wachs 
und Staub
    2022, Julia Marcinek

  • Master AMM, Exhibition Design
    Lehrbeauftragte Prof. Astrid Bornheim

    Ausstellung Stoffwechsel Materialwende
    BDA-Galerie, Berlin
    2023, mit Ludwig Heimbach 
und KU Leuven

  • Master AMM, Exhibition Design
    Lehrbeauftragte 
Prof. Astrid Bornheim

    Layered. Movement. 
Pop up Exhibition 
für Strukturbeton
    2024, Svea Jensen

  • Grundlagen der Gestaltung
    Prof. Dr.-Ing. Karin Lehmann

    Transformation. Komposition
    2023, Jan Huck, Laura Evelyn Graebe