I like the Ruhrgebiet and the Ruhr­gebiet likes me – Ein Magazin über das Ruhrgebiet
Dilara Adahan
Digitalisierung im Entwurfsprozess — Über die Digitalisierung im Entwurfsprozess, über die Aufgaben von Architekt*innen und den Unterschied zwischen digitalen und analogen Medien.

Ein Gespräch mit:
Prof. André Habermann (AH)
Prof. Erhard An-He Kinzelbach (EAK)
Prof. Sven Pfeiffer (SP)

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Wenn Sie Ihr Architekturstudium heute erneut absolvieren würden, worauf würden Sie sich spezialisieren?

EAK

Ich würde weniger auf eine Spezialisierung, sondern mehr auf das Generalistische und Ganzheitliche setzen. Wir sind schon lange auf dem Weg in eine Gesellschaft der Spezialisten. Diejenigen, die in diesem System der Spezialisten noch Gesamtzusammenhänge verstehen oder unterschiedliche Aspekte synthetisieren können, sind in der Landschaft der Disziplinen relativ rar geworden. Hier liegt ein großes Potenzial in der Architektur, da wir nach wie vor eine besondere Fähigkeit zur Syn­these besitzen und diese im Übrigen auch im Sinne einer generalistischen Aus­bildung in Bochum lehren. Deswegen würde ich, zumindest am Anfang des Studiums, noch gar nicht auf eine besondere Spezialisierung setzen, sondern da eine Qualität sehen, möglichst breit aufgestellt zu sein.

AH

Die große Qualität von Architekt*innen liegt nicht in ihrer Spezialisierung, sondern in dem Generalistischen, im Überblick, den sie haben. Das merkt man in der Praxis immer dann, wenn mit Fachingenieur*innen zusammengearbeitet wird, die alle Spezialist*innen auf ihren Gebieten sind. Dort wird jemand gebraucht, der den Überblick behält, der von allem ein gewisses Halbwissen hat und die Sparten im Sinne eines Gesamtkonzepts zusammenbringen kann. Zudem wird sich eine gewisse Spezialisierung automatisch im Berufsleben herauskristallisieren.

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Sie sehen demnach die Architekt*innen nach wie vor als Generalist*innen in einer Management-Position?

AH

Einer muss managen und einer muss auch den Überblick behalten. Wenn Architekt*innen für irgendetwas Spezialist*in sind, dann ist es das Thema „Raum“, also Fragen der Raumqualität, der Raumproportion und des Raumerlebnisses. Da wüsste ich niemanden sonst, der dort in Frage kommt.

SP

Das Großartige am Architekturstudium ist, dass es ganz viele Dinge vereint. Bei mir kam die Spezialisierung erst im Berufsleben, als ich meine ersten Praktika in Büros absolvierte. Dort wurde viel mit digitalen Medien experimentiert und mit neuen Methoden Räume entworfen. Wenn ich jetzt noch einmal studieren würde, würde ich tatsächlich noch mehr unterschiedliche Themengebiete kennenlernen wol­len.

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Welche Veränderungen lassen sich in Bezug auf den Entwurf durch das Fortschreiten der Digitalisierung feststellen?

AH

„Entwurf“ und „Digitalisierung“ sind sehr breit gefächerte Themenfelder. Ein Thema ist z.B. im Büro die Schnittstelle vom Entwurf zu den weiteren Leistungsphasen und zu den Fachingenieur*innen. So macht BIM meiner Meinung nach zurzeit erst ab Mitte Leistungsphase 2 oder ab Anfang Leistungsphase 3, der Entwurfs­phase, Sinn, um dann die weiteren Parameter durch die Fachingenieur*innen zu integrieren. Interessant ist, wie die Digitalisierung uns beim Entwerfen und bei der eigent­lichen Ideenfindung unterstützt. Für mich ist alles beim Entwerfen hilfreich, was Geschwindigkeit bringt. Ich bin kein Architekt, der ein Haus von vorneherein vollständig durchdenken kann. Es gibt nur ganz wenige Köpfe, die das können – die sich hinsetzen, ein Haus durchdenken und anschließend ihre Ideen nur noch visualisieren müssen. Die meisten erarbeiten sich Entwürfe, Objekte und Konzepte. Erarbeiten meint, viele Varianten durchzuspielen, viele Prozesse zu starten, abzubrechen und wieder von vorne zu beginnen. Dies geht umso besser, je schneller die Medien sind, mit denen ich arbeite. Wenn ich damit virtuos und schnell arbeiten kann, dann kann es zu einem guten Entwurfs-Tool werden. Für mich ist die Geschwindigkeit, mit der ich diese Medien nutzen kann, äußerst entscheidend, um die Lust am Entwerfen, jedoch auch am Verwerfen zu behalten. Es ist verheerend, wenn das Verwerfen zur Frustration wird, weil die vorherigen Entwurfsschritte schon so viel Zeit gekostet haben. Meine Erfahrung ist zudem, dass es sehr hilfreich ist, alle zur Verfügung stehenden Techniken mit ihren spezifischen Qualitäten parallel einzusetzen, also die digitalen Techniken parallel zum Modellbau und zur Skizze zu nutzen.

SP

Da können uns digitale Werkzeuge wirklich helfen. Entwerfen war schon immer ein von unterschiedlichen Parametern getriebener Prozess, seien dies gestalterische, soziale oder wirtschaftliche Einflussgrößen. Wir sind inzwischen in der Lage, diese aber auch andere Parameter abzubilden, die vorher nicht präsent waren, wie zum Beispiel die klimatischen Verhältnisse an einem bestimmten Ort. Ich empfinde es beispielsweise als hilfreich, sich permanent einen Sonnenstandsverlauf in der Entwurfsumgebung einblenden zu lassen, um die Einflüsse zu verschiedenen Jah­reszeiten zu verstehen. Dieser Einsatz ist deutlich einfacher geworden. Wir können inzwischen auch demographische Daten einbinden, also auch Daten von anderen Akteur*innen der Stadt zum Beispiel, die durch Geoinformationssysteme zur Ver­fügung gestellt werden. Die Anzahl dieser Daten ist gewachsen, damit sollten wir auch umgehen lernen. Nur dann können wir detailliertere Entscheidungen treffen.

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In welchen Bereichen werden Architekt*innen in absehbarer Zeit durch Digitali­sierung oder Automatisierung ersetzt?

SP

Das Wort „Ersetzen“ ist immer ein Schreckgespenst. Dass Berufe komplett ersetzt werden, geschieht in den wenigsten Fällen. Es ist oft so, dass es eine andere Aufteilung von Arbeitsprozessen gibt. Digitale Prozesse werden auch in der Architektur noch präsenter werden. Wir werden in der Architektur demnächst vermutlich viele Assistenzsysteme entstehen sehen, die unsere Entscheidungen zum Beispiel durch Künstliche Intelligenz beeinflussen. Wir werden uns in Zukunft auch inten­siver mit den Baufirmen und den Hersteller*innen von Bauprodukten auseinandersetzen. Es wird also kein konkretes Ersetzen geben. Auch hier geht es wieder da­rum, was eigentlich „Entwerfen“ ist. Entwerfen ist ein sehr stark von Kommunika­tion geprägter Prozess, den wir jetzt schon durch digitale Werkzeuge ergänzen. Und wenn es um Simulationen von zukünftigen Projekten und um digital gestützte Ausführungen geht, wird da sicher einiges geschehen. Beim Entwerfen von Räumen wird die Kompetenz, denke ich, auf absehbare Zeit immer noch beim Menschen liegen.

AH

Das eine ist, einen Bereich zu verlieren, das andere, einen Bereich wieder zurück­zugewinnen. Wenn ich zum Beispiel an die Leistungsphasen denke, die wir Architekt*innen bearbeiten: von eins bis neun, von der Grundlagenermittlung bis zur Bau­leitung und Bauüberwachung. Viele Architekturbüros beschäftigen sich weniger mit der Ausführungsplanung und der Bauleitung, sondern haben sich komplett auf den Entwurf spezialisiert. Da ist durchaus eine Spezialisierung zu erkennen, die einen bearbeiten hauptsächlich die ersten Leistungsphasen, die anderen eher die späteren. Nur wenige Büros decken noch alle Leistungsphasen gleichwertig ab. Bei uns im Büro habe ich die Erfahrung gemacht, dass durch BIM viele Inhalte aus der Leistungsphase fünf, der Ausführungsplanung, viel frühzeitiger bedacht werden müssen. Diese werden aufgrund des Arbeitsprozesses schon in den Leistungsphasen zwei und drei notwendig. Im Büro erbringen wir somit frühzeitig Leistungen, die aufgrund unserer Honorarordnung erst viel später anstehen würden. Somit kann es sein, dass wir durch die fortschreitende Digitalisierung auch wieder Handlungsfelder zurückerlangen, wir auf diesem Wege wieder mehr Einfluss auf den kompletten Bau gewinnen und nicht nur Einfluss auf die Planung haben.

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Haben Sie während der Corona-Pandemie und dem damit einhergehenden Wechsel zum digitalen Arbeiten Unterschiede innerhalb der Entwürfe Ihrer Student*innen wahrgenommen?

AH

Bei den erfahreneren Entwerfer*innen und bei den Thesis-Arbeiten sind kaum Unterschiede erkennbar. Da funktioniert der Austausch über die digitalen Medien ausgesprochen gut. Bei den jüngeren Semestern sehe ich dagegen einen größeren Unterschied. Das räumliche Denken ist noch nicht so trainiert, es gibt weniger Gespür für Raumqualitäten. Das fängt schon bei der städtebaulichen Disposition und bei der städtebaulichen Positionierung eines Gebäudes an. Wie dicht gehe ich an das nächste Gebäude? Was für Zwischenräume entstehen? Welche Qualität haben diese Zwischenräume? Das sind alles Fragen, die ich an einem analogen Modell zusammen mit den Student*innen gut erarbeiten kann. Es geht in der Lehre darum, ein gemeinsames Gespür für Raumqualitäten zu entwickeln und zu trainieren. Das geht aus meiner Sicht in digitaler Version nicht gut. Da sind die Medien noch unzureichend und es nützt keine noch so ästhetische Visualisierung, weil ich dort den dreidimensionalen Raum auch immer wieder nur auf einer zweidimen­sionalen Fläche projiziere. Mit „Virtual Reality“ würde es vielleicht etwas besser funktionieren. Grundsätzlich ist es ein Prozess, „Raum“ verstehen zu lernen. Wann hat ein Raum eine Qualität? Wie muss die Proportion sein? Wie muss der Lichteinfall sein? Das hat viel mit Erfahrung zu tun, aber auch einfach mit Lernen. An dieser Stelle habe ich deutliche Defizite durch die rein digitale Lehre und das rein digitale Entwerfen festgestellt.

EAK

Das führt für mich zur Frage, ob virtuelle Modelle und physische Modelle in der digitalen Lehre und Betreuung komplementär zu sehen sind oder ob das eine das andere auch ersetzen könnte. Wir haben im vergangenen Semester im Entwurf mit einer browserbasierten Modellier- und Kommunikationssoftware gearbeitet, in der wir uns gemeinsam Modelle angeschaut haben. Aus meiner Sicht hat das ganz gut funktioniert. Es war nicht so limitiert, wie ich mir das vorher vorgestellt hatte, auch wenn man bei dieser Art der Betrachtung noch weit von Virtual Reality entfernt ist. Man konnte anhand des virtuellen Modells durchaus über räumliche Aspekte reden. Natürlich fehlen manche Wahrnehmungsebenen, wie beispielsweise die haptische, allerdings habe ich auch ähnlich wie André Habermann durchaus Unterschiede bei den Lernenden festgestellt. Nämlich, dass die in der Tendenz guten und erfahreneren Student*innen teilweise von der Situation profitiert haben, weil sie im Rahmen der digitalen Lehre viel mehr Kontaktmöglichkeiten zu den Lehrenden hatten. Und dass diejenigen, die eher Mühe haben oder auch die Erstsemester unter der Situation sehr stark gelitten haben. Dadurch sind manche Entwürfe sicherlich anders geworden, als das in einer normalen Lehrsituation der Fall gewesen wäre. Aber vielleicht ist dies mehr der Situation geschuldet als tatsächlich 
der digitalen Arbeitsweise.

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Wo, würden Sie sagen, sind die analogen den digitalen Medien überlegen?

SP

Die Koordination zwischen dem Gehirn und der Hand ist nach wie vor viel direkter als zwischen dem Gehirn und dem Interface, mit dem man etwas in den Computer eingibt. Das wird sich vielleicht in Zukunft ändern. Im Moment versuchen wir im Grundstudium sehr viele vorgefertigte Dinge auszuschließen. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass keine Symboldatenbanken aus der jeweiligen Software verwendet werden, sondern Bauteile selbst modelliert werden, um deren räumliche Wirkung zu verstehen und zu kontrollieren. Es gibt einen gewissen handwerklichen Aspekt beim Zeichnen und Modellieren, der eingeübt werden muss. Besonders in jun­gen Semestern ist ein häufiger Wechsel zwischen analogen und digitalen Medien wichtig. Das bedeutet, dass man Zeichnungen ausdruckt, physische Modelle von digitalen Räumen baut und diesen Medienwechsel einstudiert.

AH

Im digitalen Bereich vermisse ich grundsätzlich das Denken in Maßstäben und da­mit in unterschiedlichen Detailierungsgraden. In Zeiten der Handzeichnung kon­nte ich im Maßstab 1:200 einen Raum nur als Rechteck darstellen. Es konnte kaum eine Tür gezeichnet werden. Eine Toilette war maximal ein Kreis. Das war die Exaktheit, mit der wir gearbeitet haben. Alles Detailliertere spielte in dem Planungs­stand und Planungsmaßstab keine Rolle. Die wesentlichen Strukturen waren wichtig und Veränderungen unheimlich schnell möglich. Das hat etwas mit Überblick, struk­turellen Hierarchien und am Ende auch mit der Arbeitsgeschwindigkeit zu tun. Zu­dem halte ich das analoge Modell für ein essentielles Entwurfswerkzeug. Es macht „Raum“ wahrnehmbar und bindet das Spiel und den Zufall in das Entwerfen ein. Da liegt gerade ein Klötzchen herum, das lege ich dahin und dann habe ich eine Erkenntnis. In digitaler Version muss ich alles vorher denken. Da gibt es wenig, das zufällig passiert.

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Wie wird Architektur Ihrer Meinung nach anhand neuer Medien zukünftig visuell kommuniziert?

EAK

Die neuen Medien sind ja in der Architektur nicht neu. Sie werden bereits verwendet und immer wichtiger. In Zukunft werden sie sicher in der Breite noch stärker genutzt. Hier finden auch in der Lehre Veränderungen statt. Ich erinnere mich an die letzten Thesis-Präsentationen im Bachelor. Da wurden auch Filme der Projekte präsentiert. Das ist noch nicht überall in der Branche der Mainstream. Obwohl es bereits seit längerem möglich ist, hat es zumindest in Deutschland sehr lange gebraucht, um überhaupt Einzug in die Architektur-Repräsentation zu finden. Warum werden immer noch Architekturfotograf*innen beauftragt, die statische Bilder von fertigen Bauwerken erzeugen? Warum wird nicht viel mehr in bewegtem Bild kommuniziert? Zumal „Raum“ erst in der Bewegung erfahrbar wird.

AH

Architekturfotografie hat weiterhin seine Berechtigung. Das unbewegte Bild hat eine Qualität für sich. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Ich bin nicht der Meinung, dass die Medien sich gegenseitig ersetzen müssen, sondern sie sollten sich ergänzen. Ich bevorzuge häufig die Fotografie. Diese hat eine andere Ruhe und lässt mehr Zeit für die Betrachtung als ein Film. Beide Medien haben unterschied­liche Qualitäten. Mit einem Film kann ich räumliche Qualitäten, die Abfolge von Räumen oder auch die Bewegung durch den Raum besser einfangen.

SP

Es gibt im Bereich der Computerspiele eine sich sehr aktiv entwickelnde Community, die interaktive Medien im Entwurfsprozess einsetzt. Dort gibt es auch erste Berührungen mit der Architektur. Vielleicht müssen wir auch nicht nur „fertige“ Architektur kommunizieren, sondern tatsächlich auch Umgebungen zur Verfügung stellen, in denen wir mit unseren Auftraggeber*innen oder mit anderen Beteiligten im Planungsprozess durch diese Räume durchgehen und sie vielleicht noch ver­ändern. Da sollten wir tatsächlich eine Bandbreite von verschiedenen Werkzeugen einsetzen. Ich sehe aber auch nach wie vor die Berechtigung für einen Grundriss und einen Schnitt, also in der Reduktion von Informationen durch eine Zeichnung. Das liegt daran, wie eine Zeichnung wahrgenommen wird, wie schnell die Infor­mation fließt und dass räumliche Ideen in ihrer Gesamtheit erfahrbar sind. Es geht um Effizienz bei der Informationsübertragung. Deswegen wird es wahrscheinlich ein breites Spektrum an Kommunikationsmedien geben, anstatt sich auf eine bestimmte Arbeitsweise zu reduzieren.

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Erleichtern Digitalisierung und Homeoffice das Arbeitsleben?

EAK

Es stellt sich die Frage, ob und für wen das eine Erleichterung darstellt. In der Pandemie hat man gemerkt, dass das Arbeitsleben nur da kontinuierlich weiterging, wo schon ein gewisser Digitalisierungsstand vorhanden bzw. wo physische Prozesse überhaupt durch digitale ersetzbar waren. Gleichzeitig führt die örtliche Ver­änderung in der Arbeitsstruktur auch zu weniger Trennschärfe zwischen Arbeit und Freizeit. Für die Arbeitgeber ist das natürlich super, wenn die Mitarbeiter 24/7 erreichbar und auch einsatzfähig sind.

AH

Ich sehe das eher als einen Vorteil. Nicht, dass man jetzt die Mitarbeiter*innen alle nach Hause schickt, aber man kann ihnen die Möglichkeit anbieten. Dies ist zum Beispiel für Väter oder Mütter, die auf ihre Kinder aufpassen müssen, eine Erleichte­rung. Man kann die Arbeit so viel geschmeidiger in sich verändernde Lebenssitua­tionen einbauen. Darin sehe ich eine große Chance.

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Würden Sie sagen, dass Architekt*innen Zukunft Informatiker*innen sein müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

EAK

Das denke ich nicht. Dennoch deutet die Tatsache, dass Coding mittlerweile wie selbstverständlich in der Grundschule unterrichtet wird, darauf hin, dass ein Verständnis für Programmierung hilfreich ist. In dem Sinne werden auch Studierende, die bei uns anfangen, bereits Vorwissen in diesem Bereich besitzen. Daher 
bin ich schon überzeugt, dass Programmierfähigkeiten eine Rolle spielen werden, vor allem wenn man mit dem, was man in der Architektur tut, auch Grenzen überschreiten möchte. Dass man nicht nur Anwender*in von digitalen Werkzeugen bleibt, sondern diese auch selbst mitgestalten kann. Dann schreibt man Algorithmen, die im Planungsprozess beispielsweise helfen, Effizienzen zu erzeugen, Geo­metrien zu lösen oder Komplexität zu meistern. Mittlerweile bedeutet Programmieren gar nicht mehr zwingend, Codes zu schreiben, da es visuelle Programmiersprachen und -schnittstellen gibt. Das kommt Architekt*innen natürlich sehr entgegen.

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Welche der neuen Technologien wollen Sie stärker in die Lehre integrieren?

AH

Der Austausch hat zuletzt über Videokonferenzen stattgefunden. Das wäre etwas, was ich auf keinen Fall weiterhin in der Lehre ausbauen würde, auch wenn neben den beschriebenen Nachteilen einzelne Vorteile erkennbar sind. Wir Lehrenden sind nicht mehr nur an festgelegten Tagen an der Hochschule erreichbar. Man kann jetzt kurzfristig sagen, Montagabend machen wir noch eine kurze Konferenz, das kriegt man organisiert. Dadurch ist eine höhere Flexibilität möglich. Trotzdem fehlt der persönliche Austausch. Videokonferenzen eignen sich eher für den kollegialen Austausch, was zum Beispiel Fachbereichssitzungen oder kurzfristig angelegte Dienstbesprechungen betrifft.

EAK

Ich würde die Perspektive weiter fassen. Durch die Pandemie sind sehr viele Überlegungen entstanden, die sich bei uns am Fachbereich in einem Förderantrag zu Innovationen in der digitalen Lehre niedergeschlagen haben. Zum Fachbereich Architektur gehört die Bluebox, hierbei handelt es sich um ein Atelier-Gebäude, das für die Architekturstudent*innen gedacht ist. Es bietet den Studierenden modern ausgestattete Arbeitsplätze, einen Plott-Service und ist rund um die Uhr geöffnet. Darauf wollen wir aufbauen und haben deshalb kürzlich ein Konzept erstellt, um in Zukunft eine „Bluebox 4.0“ realisieren zu können. Wir besitzen bereits ideale räumliche Voraussetzungen für die analoge Lehre in der Bluebox. Infolgedessen gibt es in der Breite eine große Aufgeschlossenheit gegenüber dieser digi­talen Transformation. Was könnte man jetzt tun, um die Bluebox zukunftssicher zu machen, zu ertüchtigen, um zukünftig dort hybride Lehr- und Lernformen betreiben zu können? Wie können wir zum Beispiel „Augmented Reality“ in die alltägliche Lehre integrieren? Wie können wir digitale Fabrikation mit einbauen? Wie können wir digitale Formate beibehalten und weiterentwickeln? Ein weiterer Vorteil ist, dass man problemlos internationale Gastkritiker*innen und Referent*innen virtuell nach Bochum einladen kann, die sonst wegen des Reiseaufwandes vielleicht nicht verfügbar wären. In dieser Konstellation sehe ich eine Vision, in den nächsten Jahren eine Bluebox 4.0 zusammen gestalten zu können – für eine analog-digitale Lehre der Zukunft.

 

André Habermann ist Professor für Entwerfen und Gebäudelehre am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Gründungspartner von Habermann Decker Architekten in Lemgo.

 

Erhard An-He Kinzelbach ist Professor für Entwerfen und Baukonstruktion am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Inhaber des Architekturbüros Knowspace in Berlin.

 

Sven Pfeiffer ist Professor für Digitales Entwerfen, Planen und Bauen am Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum und Inhaber von ssp Studio Sven Pfeiffer in Berlin.

 

Das Gespräch führten Shiva Jahanbakhsh, Pascal Kurek und David Laska.

  • I like the Ruhrgebiet and the Ruhr­gebiet likes me – Ein Magazin über das Ruhrgebiet
    Dilara Adahan
  • 3D Scan des Hochschulgebäudes
    Masterstudiengang Geodäsie (Master of Engineering), Hochschule Bochum
  • Klimasimulation: Sonnenstands- und Windanalyse bei Prof. Sven Pfeiffer
  • Augmented Reality: Untersuchung von Ziegelverbänden bei Prof. Sven Pfeiffer