Karikatur
Klaus Legner
Zwischen Normung und kreativem Potenzial – Über das Berufsbild des Architekten, Zukunftsperspektiven und das Verhältnis zwischen Architekt*innen und Bauingenieur*innen

Im Gespräch mit:
Prof. Klaus Legner (KL)
Prof. Michael Maas (MM)
Prof. Peter Schmitz (PS)

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Wie hat sich der Beruf der Architekt*innen gewandelt und wie wird er sich in Zukunft entwickeln?

MM

Der Beruf hat sich gewaltig verändert. Früher hat man ihn Baumeister genannt. Seit der Antike hat er von Planung bis Bauleitung alles allein gemacht. Heute haben wir eine Vielzahl an Planungsbeteiligten im Bauprozess. Der Architekt ist die zentrale Figur. Er gestaltet, er koordiniert, er muss das Ziel vorgeben und Planungsbeteiligte vieler Spezialgebiete, wie Baugrundingenieur*innen, Bauphysiker*innen, Lichtplaner*innen integrieren. Neu hinzugekommen sind Projektsteuerer*innen. Manchmal geht das zu Lasten der Gestaltung, wenn diese nur das Kosten- und Termin­management im Blick haben. Wie wird die Entwicklung weitergehen? Immer mehr Büros werden sich thematisch spezialisieren. Wir werden viel nachhaltiger bauen. Materialien, Planungsprozesse und Technik müssen hinterfragt und für die Zukunft anders aufgestellt werden. Wir müssen zu einer Null-Emissionsbilanz kommen.

KL

Michael Maas hat, obwohl er kein Architekt sondern Bauingenieur ist, das Berufsbild der Architekt*innen sehr gut umrissen. Es ist Wunsch des Bauherren, einen Baumeister, der heutzutage Generalplaner heißt, als Ansprechpartner zu haben. Unterstützend stehen ihm Fachingenieur*innen zur Seite, die eine wesentlich größere Wissenstiefe haben als die Architekt*innen. Gleichzeitig tragen diese aber die Verantwortung, den Prozess richtig zu koordinieren. Architekt*innen müssen flexibel sein, denn Gesellschaften verändern sich, Bevölkerungen wachsen. Auf Migrationen müssen sie im Städtebau und in ihren Gebäuden reagieren. Als Initiator*innen müssen sie Trends erkennen, frühzeitig reagieren und visionär sein, um Bauherren und Städten die richtigen Vorschläge zu unterbreiten. Das ist ein interessantes Spannungsfeld, aber auch eine große Herausforderung.

PS

Was sich verändert, sind nur die Produktionsbedingungen, ob man mit der Hand zeichnet oder mit dem Rechner und jetzt BIM nutzt. Ansonsten ändert sich der Beruf der Architekt*innen überhaupt nicht. Was Architekt*innen immer verbindet, ist die Gesamtverantwortung. Wenn wir uns alte Gebäude ansehen, wissen wir, wer der Architekt war, was er sich dabei gedacht hat, wir kennen die Baugeschichte. Ziel der Ausbildung ist es, diese Verantwortung zu erlernen, gute Häuser, gute Räume zu bauen. Mich ärgern Architekt*innen auf Projektsteuererseite, die fragen: „Ist das jetzt notwendig oder ist das Architektur?“ Als Architekt mache ich nicht nur Architektur, sondern bin für Qualität zuständig. Wenn ich diese Gesamtverantwortung nicht übernehme, bin ich fehl am Platz. Ich kann nicht mit Fachingenieur*innen reden, wenn ich nicht verstehe, was sie meinen. Diese Verantwortung müssen wir ernst nehmen.

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Herr Schmitz, wie bereiten Sie die Studierenden auf die Praxis im Berufsleben vor?

PS

Im Fach Entwerfen lehre ich, wie man Architektur gestaltet, ein Beispiel analysiert und einen eigenen Weg findet. Das wiederholt sich im konstruktiven Projekt, das ich vor 15 Jahren entwickelt habe. Hier geht es darum, einen Entwurf bis zur Realisierungsreife zu entwickeln. Das ist eine gute Vorbereitung im Studium für die Berufspraxis. Der Entwurf soll nicht als Wolke behandelt werden, sondern die Studierenden einbeziehen, wie sie kreativ den ganzen Prozess steuern können. Das ist ein Rollenwechsel, der Architekt wird immer mehr Manager. Es wird häufig verlangt, dass wir als Generalplaner*innen auftreten und eine Gesamtleistung als Team abgeben. Da kann man nicht als Architekt*in sagen: „Entschuldigung, das war ein Anderer, der hat es nicht hingekriegt.“ Sondern es heißt: „Architekt*in, mach das. Nimm deine Leute an die Hand und liefert zusammen ein Ergebnis.“ Ich möchte die Studierenden vorbereiten, dass sie federführende Architekt*innen für ein Projekt werden können. Am besten eignet sich dafür ein Dialogformat. Es gibt eine Aufgabe und die Studierenden erarbeiten etwas. Man setzt sich wöchentlich zusammen und bespricht die Ergebnisse. Ich halte dieses „learning by doing“ für das beste Format im Studium.

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Wird sich Ihre Lehre in den nächsten Jahren ändern?

PS

Im Kleinen ändern wir das von Jahr zu Jahr. Ein Beispiel ist das konstruktive Projekt. Früher haben alle einen Entwurf aus dem Studium vertieft. Meist waren die Ent­würfe spektakulär und kaum baubar. Daraus haben wir gelernt. Wir nehmen einen realistischeren Entwurf, von dem man ahnt, das könnte klappen. Das macht mehr Spaß, als über das Scheitern zu erzählen.

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Herr Maas, inwiefern müssen sich Architekt*innen in Zukunft mit anderen am Bau Beteiligten messen?

MM

Die Architekt*innen geben die Gestaltungsrichtung vor und definieren, wie das Raumprogramm umzusetzen ist. Messen müssen sie sich mit denen, die das nicht akzeptieren. Es sind oft die Ökonomen. Wenn wir übers Messen reden, müssen wir auch über Vertrauen reden. Wir sind darauf angewiesen, dass der kulturelle Hintergrund von Architekt*innen einen Stellenwert hat. Ich selbst habe als Ingenieur nicht immer nur mit tollen Architekt*innen zu tun. Manche sind sehr ökonomisch getrieben oder wollen ihre eigene Arbeit minimieren. Sie versuchen, mit Konzepten durch den Alltag zu kommen, die relativ schnell umzusetzen sind. Das befeuert die Gefahr, von anderen überrannt zu werden, die sagen: „Das können wir auch.“ Zum Beispiel Projektsteuerer*innen oder Generalplanerbüros. Die Rolle der Architekt*innen sollte dahingehend eine leitende sein, dass sie den Bogen spannen. Das steckt im Begriff des Architekten drin, er ist Überspanner eines Bogens, kulturell und psychologisch. Architekt*innen müssen sich messen, weil die Gesellschaft sie in Frage stellt. Alle am Bau Beteiligten sollten ihre Position stärken.

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Wird die Führungsrolle in Planungs- und Bauprozessen künftig von Bauingenieu­r*innen, Nachhaltigkeitsmanager*innen oder Controller*innen übernommen?

MM

Als Bauingenieur wünsche ich mir, dass Architekt*innen die Führungsrolle einnehmen. Wenn diese nicht gut sind, dann übernehmen das andere. Wenn sie gut sind, gehört es dazu, vor ihnen Respekt zu haben. Manchmal ist es für mich schwierig, diesen Respekt mitzubringen, wenn ich merke, dass die Planung nicht gut ist. Mein Ziel in der Ausbildung ist, kritikfähige Studierende zu Architekt*innen zu machen, die in der Lage sind, mir und anderen am Bau Beteiligten über die Schulter zu schauen. Sie sollen die Disziplin der Ingenieur*innen soweit verstehen, dass sie vor dem Hintergrund der architektonischen Ziele mitdiskutieren können. Architekt*innen haben es nicht leicht. Oft verstehen die Auftraggeber*innen nicht so schnell, wo die Reise hingehen soll, wie wir Planungsbeteiligten, die den Prozess kennen und die Architektur begriffen haben.

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Wie wird sich das Verhältnis zwischen Architekt*innen und Bauingenieur*innen weiterentwickeln?

MM

Die Beziehung zwischen Architekt*innen und Ingenieur*innen wird sich gut ent­wickeln. An der Hochschule ist es meine zentrale Aufgabe, dazu beizutragen. Für meine Lehre bedeutet der Wandel des Berufsbilds, dass ich keine Tragwerk­lehre mehr machen kann wie vor 30 Jahren. Damals waren die Möglichkeiten im Ingenieurbereich begrenzt. Heute haben wir rechnergestützte Methoden. Ich muss in der Ausbildung keine Grenzen aufzeigen. Wir können uns alles miteinander anschauen. Im Fach Tragkonstruktionen im Hochbau analysieren wir komplexe Strukturen und fragen: „Was muss ich dazu tun, was kann ich wegnehmen, damit die Struktur funktioniert? Wie kann ich sie optimieren?“ Natürlich mit vereinfachten Annahmen, aber so, dass wir hinterher ein gemeinsames Verständnis haben. So ausgebildete Architekt*innen wünsche ich mir in der Praxis. Das ist nicht immer der Fall. Oft ist es so, dass mein Wort gewichtiger ist, als ich es mir wünsche, so dass Studierende etwas machen, nur „weil Herr Maas das gesagt hat“. Das passiert in der Lehre und im Umgang mit praktizierenden Architekt*innen. Ich habe viel zeitintensives Basiswissen zu vermitteln, was auch in Videos geleistet werden kann. Dazu habe ich sehr gute Rückmeldungen von den Studierenden bekommen. Die Zeit möchte ich nutzen, um sie noch intensiver darauf vorzubereiten, in die Diskussion mit mir als Bauingenieur zu kommen. Ich lerne in jeder Sitzung von Ihnen als Architekt*innen und wünsche mir, dass Sie von mir lernen. Wenn wir dafür mehr Zeit haben, ist das ein Fortschritt für die Lehre.

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Geht der Trend dahin, dass Architekt*innen Generalist*innen sind? Oder müssen sie sich immer weiter spezialisieren? Wird der künstlerische Ansatz eines Entwurfs an Bedeutung gewinnen oder die Managementleistung?

KL

Was Architekt*innen können müssen, ist gut zuhören. Wenn sie in die Lage kommen, dass sie frühzeitig mit ihrem Team, mit Bauingenieur*innen, Bauphysiker*innen oder anderen Nicht-Planer*innen zusammenarbeiten können, müssen sie alle Komponenten aufnehmen und daraus ein optimales Gebäude entwickeln. Die Architektur ist eine der komplexesten Strukturen. Die einen Architekt*innen spezialisieren sich und die anderen praktizieren das Modell des Baumeisters, der wichtig ist, weil man mit viel Geld vom Bauherrn umgehen muss. Es ist wichtig, dessen Wünsche zu erkennen und die bestmögliche Lösung zu suchen. Beim ganzen Planungsprozess muss jemand die Führungsrolle als Moderator*in, Überzeugungstäter*in, Koordinator*in und kreativer Mensch übernehmen. Im Zusammenspiel von Fachingenieur*in und Architekt*in funktioniert das und man kommt gemeinsam zu guten Lösungen.

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Welche Rolle wird KI – künstliche Intelligenz – künftig spielen? Wie können sich Architekt*innen derartige Technologien zu Nutze machen?

KL

In den frühen Leistungsphasen, wenn die Idee entwickelt wird, kann man sich KI als Tool nehmen, um Dinge auszuprobieren. So kann eine Vielzahl von Strukturen aufgestellt werden. Die Architekt*innen müssen sagen, wann die KI stoppt und der Entwurf, das richtige Produkt festgeschrieben wird. Da spielen Emotionen mit, gesellschaftliches Hintergrundwissen und viele weitere Aspekte, die nicht durch KI zu ersetzen sind. Es wird nach wie vor wichtig sein, dass kreative Menschen gute, visionäre Ideen haben, Megatrends aufnehmen und diese räumlich oder städtebaulich umsetzen. Diese Köpfe braucht die Welt, die braucht die Gesellschaft.

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Kann sich der „Architekt“ als in Deutschland geschützter Beruf durchsetzen oder wird die Bezeichnung im europäischen Wettbewerb fallen?

PS

Architekt*in ist ein beliebter Titel. Berühmten Stararchitekt*innen aus dem internationalen Umfeld ist es wahrscheinlich egal, ob sie eine geschützte Berufs­bezeichnung haben. Andererseits gibt es welche, die nennen sich Architekt*innen, aber können es nicht. Man muss dafür stehen, was man macht. Ich finde es gut, dass man Titel und Begriffe schützt. Wenn die Welt sich internationalisiert, können wir aber nicht das ganze internationale Umfeld auffordern, diesen Titel zu schützen.

MM

Interessanterweise war der Begriff des Bauingenieurs bis vor Kurzem nicht geschützt. Das hatte zur Folge, dass jeder eine Statik aufstellen durfte, der meinte, das zu können. Vor etwa zwei Jahren erst ist der Begriff des „qualifizierten Tragwerkplaners“ als kammerrelevante Qualifikation eingeführt worden. Dafür muss man drei Jahre Berufserfahrung haben und Projekte einreichen. Wer als Inge­nieur*in bei einem Bauamt angefangen und keine statischen Berechnungen auf­gestellt hat, kriegt den Titel nicht. Der kann eine Statik aufstellen, muss aber quali­fizierte Tragwerksplaner*innen oder Prüfingenieur*innen finden, die dafür unterschreiben. Dass nur Architekt*innen einen Bauantrag einreichen dürfen und die Berufsbezeichnung Architekt*in geschützt ist, hat auch mit der Verantwortung der Architekt*innen zu tun. Es muss ein gewisses Ausbildungsniveau gesichert sein, damit jemand den Bauantrag einreichen darf. Ich stehe dafür, dass man die historischen, städtebaulichen und sonstigen Bezüge gelernt haben sollte. Diese Qualifikation darf auch eingefordert, kammermäßig abgesichert und im Baurecht ver­ankert sein. Ich wünsche mir, dass es so bleibt.

KL

Der Schutz der Berufsbezeichnung ist nur ein Aspekt der Qualitätssicherung. Der andere ist das Honorar. Der Europäische Gerichtshof hatte 2019 die HOAI, die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure, für unvereinbar mit dem EU-Recht erklärt. Seit dem 1. Januar 2021 ist sie nicht mehr bindend, sondern hat nur Empfehlungscharakter. Das finde ich sehr problematisch. Denn es geht darum, abzusichern, dass die Architekturqualität stimmt. Man steht als Architekt*in in unmittelbarem Wettbewerb mit Nicht-Architekt*innen, die Leistungen zu einem geringeren Honorar umsetzen. Ich bin gespannt, wie sich das auswirken wird, wie die Qualität darunter leidet. Wie sich die Auftraggeber*innen entscheiden, wird die Zukunft zeigen. Im privaten Bereich herrscht noch ein stärkeres Vertrauens­verhältnis zwischen Architekt*innen und Bauherr*innen. Aber ich fürchte, im öffent­lichen Bereich wird man sehen, dass Kommunen Honorare einsparen wollen und damit nicht so sehr auf die Qualität der Architekt*innen achten, die mit einer qua­litativ hohen Planung natürlich auch eine bessere Qualität umsetzen.

MM

Es verändert sich tatsächlich viel durch die Schwächung der HOAI. Fast jeder kann im öffentlichen Bereich an jedes Projekt kommen. Ich glaube nicht, dass das ein K.o.-Kriterium für kleine Büros ist, aber es wird schwerer im öffentlichen Bereich. Bis vor ein paar Jahren konnte man noch mit der eigenen Kommune sprechen, wenn eine Schule gebaut werden sollte. Das gibt es fast nicht mehr. Heute sind Ausschreibungsverfahren oft so gestaltet, dass kleine Architekt*innen mit zwei, drei Personen gar nicht mehr in der Lage sind, einen Schulneubau zu realisieren. Was aber nicht heißt, dass diese Büros nicht existieren können. Es gibt private Bauherren, wo es möglich bleibt, über Kontakte in einem begrenzten Umfeld an Aufträge zu kommen. Ich selbst bin nicht öffentlich gebunden. Ich mache bundesweit Statiken. Gerade als die HOAI kippte, sind wir mit Aufträgen überschüttet worden – nicht nur unser Büro, sondern fast alle Bauplaner*innen – weil wir einen Fachkräftemangel haben. Das hat sich in der Corona-Situation verschärft, da kontinuierlich gebaut wird. Die Frage der Zukunft ist, wer macht was? Es gibt die Tendenz zu großen Generalplanerbüros, die große Aufträge an Land ziehen werden. Vielleicht muss noch mehr Nischendenken einsetzen, dass sich kleinere Büros bestimmte Nischen suchen oder regional für private Bauherren arbeiten.

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Werden kleine Büros künftig noch eine Chance am Markt haben oder wird die Tendenz zu immer größeren Architekturbüros den Wettbewerb dominieren?

PS

Es wird sehr kleine Büros geben und die großen Büros werden deutlich größer werden. In der Mitte wird es schwierig. Zu Beginn meiner Tätigkeit hatte ein großes Büro über zehn Mitarbeiter*innen und die kleinen Büros waren Einzelkämpfer. Die, die vor 20 Jahren zehn Mitarbeiter*innen hatten, haben heute über 100. Bürogrößen wie im angelsächsischen Raum mit mehreren hundert Mitarbeiter*innen sind keine Seltenheit. Der Druck auf diese Büros wächst, sie müssen in allen Be­reichen Kompetenzen haben und das erreichen sie nur durch eine große Breite. Da fallen Büros mit zehn Mitarbeiter*innen vielleicht hinten runter. Wer das mit ein, zwei Mitarbeiter*innen macht, betreut seine Bauherren persönlich. Das wird immer bleiben für kleine Bauaufgaben. Schlimm finde ich, wenn renommierte deutsche Büros aufgekauft werden, zuletzt sogar von Energieunternehmen, wie zum Beispiel das Büro Ingenhoven, das vom Schweizer Konzern BKW gekauft wurde.

KL

Ich finde es traurig, dass für junge Absolvent*innen und Studierende, die sich irgendwann selbstständig machen wollen, die Möglichkeit gar nicht mehr besteht, sich an öffentlichen Projekten zu beteiligen. Man kann sich bewerben, aber man muss Referenzen einreichen. Welche Referenzen haben junge Architekt*innen, 
die gerade von der Uni kommen? Wie sollen sie eine Chance bekommen? Man kann nur hoffen, dass aufgeschlossene Kommunen junge Büros einladen oder einen gewissen Prozentsatz für junge Leute öffnen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Kreativität unter Beweis zu stellen. Natürlich kann man auch mit privaten Bauherren Aufträge akquirieren, aber es ist mühsam, schöne Aufgaben zu finden, die eine gewisse Ausstrahlung haben. Deswegen gibt es zukünftig immer mehr große Büros. Die, die weniger Referenzen haben, fallen zurück.

PS

Das stimmt, ich würde es nur nicht so pessimistisch sehen. Als wir fertig waren, ist keiner von der Hochschule gekommen und hat zur nächsten Stadtverwaltung gesagt: „Ich bin ein kreativer, junger Architekt. Gebt mir eine Aufgabe!“ Die meisten sind erstmal drei, vier Jahre in Büros gegangen, die gute Architektur gemacht haben. Irgendwann sagt ein Bauherr: „Beim nächsten Mal kannst du es auch alleine.“ So entstehen viele Büros. Dann muss man nachlegen und in einen Wettbewerb investieren. Das muss man sich trauen, da fällt man auch mal auf die Nase. Nur fertig zu sein und dann kommt der erste Auftrag, das hat es ewig nicht gegeben.

KL

Dass man sich frisch von der Uni selbstständig macht, ist die große Ausnahme. Natürlich muss man erst eine gewisse Umsetzungskompetenz und Erfahrung sammeln, man wird ja auch nicht gleich in der Kammer aufgenommen, sondern muss mindestens zwei Jahre in allen Leistungsphasen tätig sein. Das Wettbewerbswesen in Deutschland ist baukulturell auf einem hohen Stand. Es macht Spaß, sich mit Kolleg*innen in Konkurrenz zu begeben und einen Kreativwettbewerb zu starten. Es ist auf jeden Fall ein toller Beruf, spannend, aber auch zeitintensiv.

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Welche Fragen müssen in Zukunft von Architekt*innen beantwortet werden?

PS

Was ist eigentlich Stadt? Was machen wir in Innenstädten? Das werden Themen für die nächsten zehn Jahre sein. Aktuell wird man versuchen, alles was mit Klimawandel zu tun hat, umzusetzen. Das sind dicke Bretter. In Deutschland sind wir etwas schwerfällig unterwegs, weil wir das über Normen regeln wollen. Normung ist gut als Leitplanke, schmälert aber das kreative Potenzial. Ich würde mich nicht fragen, was die neueste Verordnung ist, die ich einhalten muss, sondern mich trauen, einfach mal ein starkes Statement rüberzubringen. Alle Städte wollen aktuell nachhaltig bauen. Letztens sagte ein Baudezernent: „Wer jetzt noch nicht kapiert hat, dass in Holz gebaut wird, hat gar nichts verstanden.“ Das ist eine steile These, weil die Bauwirtschaft das nicht leisten kann. Aber wenn ich jetzt jung wäre, würde ich auf der Fridays-for-future-Welle reiten und sagen: „Ich habe mich schlau gemacht, bin nach Vorarlberg gefahren und habe mir alles angeguckt, ich kann euch einen Vorschlag machen.“ Man muss eine Vision für die Zukunft und ein bisschen Know-how haben. Dann rennen Sie offene Türen ein, auch bei einer Verwaltung. Man wird Ihnen Ihre Jugend und mangelnde Erfahrung nachsehen, weil man denkt: Die haben sich engagiert und was die sagen ist nicht dumm. Davon bin ich überzeugt.

MM

Wir brauchen Nachhaltigkeit als Prämisse für die Zukunft und wir brauchen neue Strategien. Wir haben das generelle Ökonomie-Dogma, dass wir Wachstum generieren müssen. Das heißt für uns bauen. Für uns Planer*innen heißt bauen Geld verdienen. Wir müssten dieses System in Frage stellen. Warum kriegen Architekt*innen nicht Geld für Bauen vermeiden? Oder für Bauen im Bestand? Wenn wir das Nachhaltigkeitsthema ernst nehmen, sehe ich es als Aufgabe der Architekt*innen, in Zukunft die Aufgabenstellung in Frage zu stellen. Ich würde mir wünschen, dass es Anreizsysteme dafür gibt, dass ein entgangener Gewinn bezahlt wird, wenn ich dem Bauherrn zeige, was er nicht bauen muss. Ein Mehrwert in unserer Planungszunft ist es, den Menschen Utopien zu geben. Kein Bürgermeister kann entscheiden: „Der Architekt kriegt 100.000 Euro Prämie, weil er gesagt hat, wir brauchen gar keine neue Mensa.“ Es war ein guter Ansatz von Peter Schmitz, den Kommunen vorzuschlagen, sie sollen in Holz bauen, das kann aber 20 Prozent teurer werden. Eine Kommune mit Nothaushalt kann der Landesregierung nicht erklären, dass sie mehr Geld benötigt. Wir brauchen Prämissen für Nachhaltigkeit, die den geldwerten Vorteil aufzeigen. Und wenn wir heute über Innenstadtverdichtung reden, macht es Sinn, vorausschauende Konzepte zu planen: Wir bauen Viergeschosser, machen aber die Fundamente und Geschosse so, dass man später ein fünftes Staffelgeschoss ergänzen kann, das man im Moment nicht braucht. Die andere Ebene ist die technische, auch die Revidierbarkeit der Technik. Warum reißen wir Gebäude ab, die 20, 30 Jahre alt sind? Es gibt Autohäuser, die werden nur 15 Jahre alt, dann passt es nicht mehr in das Konzernkonzept und sie stellen eine neue Hütte hin. Es muss aufhören, dass sich sowas lohnt. Das kann man steuern, indem man festlegt, ein Neubau wird besteuert gegenüber einem Umbau. Das ist eine Utopie. Das sind Zukunftsthemen.

KL

Ich glaube nicht, dass man so stark in den Markt eingreifen kann, dass man Honorare zahlt, wenn man nicht baut. Man muss Überzeugungsarbeit leisten und intelligente Lösungen suchen. Man muss nicht alles abreißen und neu bauen. Eine Lösung könnte so aussehen, dass man verschiedene Szenarien aufzeichnet, um Funktionen nachzuweisen und am Ende daraus den Schluss zu ziehen, man braucht die Erweiterung nicht. Aber ich glaube nicht, nachdem die HOAI aufgelöst ist, dass man Forderungen an Bauherren stellen kann. Bauherren sind, wie sie sind. Manche haben Einsehen und manche nicht. Dagegen kann man als Architekt*in nicht wettern. Dass man nur in Holz baut, ist eine modische These. Es wird nach wie vor Massivbauten geben und auch die sind nachhaltig, wenn man das richtige Material einsetzt. Das kann man über eine Ökobilanz nachweisen. Bei Holzhäusern wird oft der Rechenfehler gemacht, dass das im Holz gebundene CO2 der Ökobilanz zugerechnet wird. Wenn man den Baum stehen lässt, generiert er so viel Sauerstoff, dass es für die Umwelt viel besser ist. Man muss vorsichtig sein, wie man mit Zahlen umgeht. Städte werden sich verändern. Der Onlinehandel wird Innenstädte verändern. Wir müssen als Architekt*innen überlegen, wie man urbanes Leben darauf ausrichten kann, dass wieder Menschen in Städte kommen, die Vorzüge der Stadt genießen. Ein weiterer Punkt ist die veränderte Mobilität. Sie wird sich nicht nur in die E-Mobilität verschieben, Mobilität wird sich grundsätzlich einschränken. Die Möglichkeit, dass man überall arbeiten kann, wo ein guter Internetzugang ist, wird vieles öffnen. Ein letzter Aspekt ist bezahlbarer Wohnraum. Ich würde nicht so weit gehen, Einfamilienhäuser zu verbieten, weil ich grundsätzlich gegen jegliche Bevormundung der Bevölkerung bin. Aber bezahlbarer, kleinerer, verdichteter Wohnraum wird ein wichtiger Punkt sein. Es müssen Konzepte her, damit man bezahlbaren Wohnraum für viele sicherstellen kann. Da werden große Aufgaben anstehen, die wir Architekt*innen lösen müssen. Jede Aufgabe wird eine neue Herausforderung sein.

 

Klaus Legner ist Professor für Bauökonomie im Fachbereich Architektur an der Hochschule Bochum und Gründer des Architekturbüros h4a Gessert + Randecker + Legner Architekten GmbH in Düsseldorf, München, Stuttgart.

 

Michael Maas ist Professor für Tragwerklehre und konstruktives Entwerfen im Fachbereich Architektur an der Hochschule Bochum und Inhaber des Ingenieurbüros maasingenieure für Tragwerk­planungen in Werl.

 

Peter Schmitz ist Professor für Entwerfen im Fachbereich Architektur an der Hochschule Bochum und Geschäftsführer des Architekturbüros Prof. Schmitz Architekten GmbH in Köln.

 

Das Gespräch führten Louisa Biskup, Eda Kemahlioglu, Laura Schwerdhöfer und Hanna Wrohofer.

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